gemeindearchiv
der Ev. Kirchengemeinde
Velbert
Da ich sicher bin, dass viele unserer heutigen Gemeindeglieder davon
nichts wissen, habe ich in den Tiefen unseres Archivs gegraben.
Was ich gefunden habe, waren - außer Protokollen und offiziellen Statements
- Zeitdokumente aus der unmit- telbaren Nachkriegszeit, von denen ich Ihnen
heute erzählen will.
1946 sollte nach 12-jähriger Unterbrechung die 1. Synode der Rheinprovinz
nach der Zeit des NS-Regimes stattfinden.
Am traditionellen Tagungsort Neuwied waren die Gebäude durch Kriegseinwirkung
noch zerstört.
Von wem die Idee kam, die Synode nach Velbert einzuladen, ist nicht überliefert.
Dass die Synoden von 1946 bis 1950 dann wirklich in Velbert stattfinden
konnten, ist einer wahrlich beispielhaften Zusammenarbeit von Stadt (Dr.
De Visscher), Presbyterium (Pastor Harney) und der gesamten evangelischen
Gemeinde zu verdanken.
War es doch - zumindest anfangs - eine Zeit, in der Lebensmittel streng
bewirtschaftet und nur auf "Karten" erhältlich waren und jedes freie Bett
durch die aufzunehmenden Flüchtlingsströme aus dem Osten Deutschlands
belegt war.
Den Verantwortlichen stellte sich 1946 die Aufgabe, 200 Synodalen für
5 Tage einen "angenehmen" Aufenthalt in Velbert zu bieten. Die erforderlichen
200 Betten standen in den Familien der Velberter Gemeinde.
Im Archiv liegen die Listen, die berichten, welcher Synodale in welcher
Familie untergebracht war, darunter natürlich Präses D. Held und auch
Dr. Dr. Gustav Heinemann, unser späterer Bundespräsident.
Für alle gab es als Verpflegung für die 5-tägige Synode auf mitzubringenden
Lebensmittelmarken:
200 g Fleisch
30 g Fett
200 g Nährmittel
1000 g (= 20 Schnitten) Brot
1500 g Kartoffel
wohlgemerkt, für insgesamt 5 Tage. Von jedem Teilnehmer mitgebracht werden musste Brotaufstrich (Butter, Marmelade etc.), Zucker und weiteres nach persönlichem Bedarf.
Die
für die abschließende Abendmahlsfeier der Synodalen gemeinsam mit der
Velberter Gemeinde erforderlichen 11 Flaschen Wein wurden vom Kirchenamt
in Düsseldorf ge- gen Rückgabe der leeren Flaschen einschliesslich Kork
in natura erstattet.
Die erforderlichen Lebensmittel konnten schließlich aus einer schwedisch/schweizerisch/amerikanischen
Spende und einer Sammlung bei den evangelischen Bauern Velberts zusammengetragen
werden.
Für die synodale Arbeit mussten alle Bibel, Gesang- buch, Papier und Federhalter
aus dem eigenen Bestand mit- bringen.
Diese Arbeit wurde im Bürgerhaus (Ecke Nedder- Offerstraße)
erledigt, wo auch die gemeinsamen Mahlzeiten eingenommen wurden.
Jeder Tag begann um 8.00 Uhr mit einem Gottesdienst in der Alten Kirche
und endete um 20.00 Uhr mit einem Festgottesdienst in der Christuskirche.
Da sich alle Synodalen offensichtlich bei unseren Vorfahren wohl gefühlt hatten, kamen sie gerne wieder. Zahlreich sind aus 1947 und 1948 Wünsche überliefert, doch möglichst wieder in den Gastfamilien aus dem Vorjahr untergebracht zu werden.
So war es fast vorprogrammiert, dass die Umwandlung der "Preußischen Provinzialkirche der Rheinprovinz" in die "Evangelische Kirche im Rheinland" im Jahre 1948 bei uns in Velbert stattfand.
Gerd Lensing
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