gemeindearchiv
der Ev. Kirchengemeinde
Velbert
Der starke Anstieg der Bevölkerung durch die zunehmende Industrialisierung in Velbert im 19. Jahrhundert führte dazu, dass der 1808 angelegte und 1882 letztmalig erweiterte „Alte Friedhof“ auf den früheren „Bieerhöfer Wiesen“an der damaligen Kirchhofstraße zu klein wurde. In der direkten Umgebung bestand keine Erweiterungsmöglichkeit mehr.
Das Presbyterium musste viele Jahre suchen, bis es einen geeigneten Platz für einen neuen Friedhof fand. Die Fabrikneubauten brauchten viel Platz und so war unbebautes Land, dazu noch am Rande der Stadt, sehr gefragt und die Grundstückspreise stiegen ständig. Die Verhandlungen zogen sich hin.
Wie wir in Dokumenten in unserem Archiv lesen können, kaufte die Gemeinde in den Jahren von 1901 bis 1904 Land auf und zwar bei den Ostumer Höfen an der heutigen Bahnhofstraße. Vorbesitzer waren die Ostumer Bauern Espey, Schulte, Köther und Pickshaus und der Bauunternehmer Rüsenberg. Gekauft wurden zunächst 13.500 m2 für 35.900 Mark, Goldmark, wohl gemerkt. Viel Geld kostete zudem der Wegebau zu den geplanten Grabstätten. Es gab da zwei Angebote, beide weit über 6.000 Mark.
Am 1. Oktober 1905 wurde der neue Friedhof eingeweiht. Die feierliche Handlung begann mit einem der damals beliebten Fußmärsche in Reih und Glied, in diesem Fall von der Kirche in der Stadtmitte zum Friedhof am Stadtrand. Lesen Sie selbst, wie dieser Zug zusammengestellt wurde:
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Nach der Überlieferung nahmen mehr als 3.000 Gemeindeglieder an diesem Zug teil. Gleichzeitig fand die erste Be- erdigung auf dem neuen Friedhof statt. Diese Grabstätte des Albert Thon ist heute noch erhalten.
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Vor der Einweihung des Friedhofes war bereits eine hübsche Holzkapelle fertiggestellt worden. Die in unserem Archiv vorhandene Aufnahme dieses Gebäudes aus dem Jahre 1910 möchte ich Ihnen nicht vorenthalten. Diese Kapelle hatte keine Glocke. Nach der Fertigstellung der Christuskirche konnte aber ein Grabgeläut mit einer Christuskirchenglocke stattfinden.
Am 26. November 1939 wurde als Nachfolgerin dieser Kapelle der steinerne Neubau mit Glockenturm und eigener Glocke eingeweiht, Diese Kapelle wurde mehrfach renoviert und tut der Gemeinde noch heute gute Dienste.
In den Jahren seit 1905 ist dieser Friedhof stetig gewachsen. Waren es anfangs 13.500 m2 Grundfläche, so sind es heute 90.000 m2. Das bedeutet eine 6,6-fache Vergrößerung! Wann die einzelnen Zukäufe erfolgten, ist nicht dokumentiert. Lediglich der Kauf von einem Hektar (=10.000 m2) im Jahre 1950 ist belegt. Er erfolgte nach zähen dreijährigen Verhandlungen. Auf dem „Neuen Friedhof“ befinden sich heute ca. 15.000 Grabstellen. Nach Auskunft des Friedhofamtes wird es bei den jährlich etwas mehr als 200 Beerdigungen in den nächsten Jahrzehnten keinen Platzmangel geben. Unser Friedhof muss sich übrigens finanziell selbst tragen, das heißt, es dürfen keine Kirchensteuermittel eingesetzt werden. Die kommunalen Friedhöfe haben es da leichter. Sie werden von der Stadt mit Steuergeldern unterstützt. So ist der Konkurrenzdruck groß und nur mit konzentriertem Management aller Verantwortlichen ist das Überleben der konfessionellen Friedhöfe möglich. |
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Die Friedhofskultur in Deutschland ist einem ständigen Wandel unterworfen. Das merken wir auch in Velbert. So leben Viele von uns nicht mehr inmitten einer Großfamilie, die sich traditionell um die Betreuung der Gräber ihrer Angehörigen gekümmert hat. In der Folge entwickelten sich auch bei uns neue, das heißt pflegeleichte Formen, so zum Beispiel in der Art des „stillen Rasenfeldes“. Die Begräbnisstätte liegt in einer Wiese, die vom Friedhofsgärtner gemäht wird. Gekennzeichnet ist jedes Grab lediglich mit einer 40 x 40 cm großem Schieferplatte mit dem Namen des Verstorbenen. Nach langen Diskussionen genehmigte das Presbyterium die Einführung dieser Bestattungsform mit Beschluss vom 24. Juni 1996. Dieses Angebot wurde rasch angenommen. Ein Viertel aller Beisetzungen finden heute in einem Rasengrab bzw. einem Rasendoppelgrab für Eheleute statt.
Ein Blumenschmuck auf dem stillen Rasenfeld darf, damit er beim Rasenmähen nicht stört, nur so groß sein, wie die Fläche der Grabplatte. Anfangs gab es da schon mal Probleme mit den Angehörigen, die dann doch das Grab schmücken wollten.
Nun hat es sich aber herumgesprochen, dass es nur begrenzte Möglichkeit zur Ausschmückung auf dem Rasenfeld gibt. Gefragt sind jetzt allerdings die gestalterischen Fähigkeiten der Friedhofsgärtner, damit nicht durch zu viele zusammenhängende Rasenanlagen der Parkcharakter des Friedhofs verloren geht.
Die Urnenbestattungen nehmen ständig zu. Im Jahre 2005 waren es 14 % aller Bestattungen, 2012 sind es 38% geworden. Diese Bestattungsform wird vor allem gern gewählt, seit die Kirchengemeinde im Jahre 2005 eine Urnenstellwand errichtet hat, Kolumbarium genannt. Diese Anlage wächst Jahr für Jahr. Kein Wunder, denn allein im letzten Jahr wurden 40 Plätze besetzt! Auch am Kolumbarium sparen die Hinterbliebenen nicht mit Blumenschmuck.
Im Jahre 2003 verabschiedete die NRW-Landesregierung ein neues Bestattungsgesetz, nach dem bei Tot- und Fehlgeburten zwar kein Bestattungszwang besteht, auf Wunsch der Eltern oder eines Elternteils aber eine Beerdigung der sogenannten Sternenkinder stattfinden darf.
Auf unserem Friedhof gibt es seitdem auch ein Feld für eine solche kostenfreie Beerdigung von Kindern, die nach dem Gesetz nie gelebt haben. Gekennzeichnet ist dieses Feld mit einer gelungenen Steinsetzung.
Es ist nicht immer alles rosig in unserer Welt So traf es unseren Friedhof durch den Bau der Autobahn mit ihren Zufahrten. Von Osten, Norden und Westen ist der Friedhof inzwischen einer erheblichen Lärmbelästigung ausgesetzt. Am östlichen Friedhofsende zur Metallstraße hin, bei den neuen Rasengräbern, errichteten die Friedhofsgärtner einen Erdwall. Der bietet zwar Sichtschutz, die Rollgeräusche und den Motorenlärm mindert er aber nicht. In jüngster Zeit stellen die Bestatter bei der Grablegung eine Lautsprecheranlage auf, damit die Trauergäste die Stimme des Pfarrers/der Pfarrerin überhaupt noch hören können.
Ein Ort der Stille kann der „Neue Friedhof“ leider nicht mehr genannt werden.
August 2013 / Dr. Ingomar Haske
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