An(ge)dacht 02/24

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Liebe Gemeinde,

wann haben Sie das letzte Mal ein Machtwort gesprochen? So eines, bei dem Sie klar Ihre Position vertreten haben, gesagt haben, wo es Ihrer Meinung nach nun hingehen, wie sich das Verhalten Ihres Gegenübers verändern soll.

Vielleicht auch wie Sie sich einen Umgang miteinander wünschen. Ein Machtwort zu sprechen, das kann viele Anlässe haben. Wir kennen es im großen Maße, wenn von „ganz Oben“ plötzlich Einhalt geboten wird und wir kennen es untereinander. Eltern, die das Verhalten Ihrer Kinder damit rügen, Ehepartner, Nachbarn, sogar Fremde, sprechen mal ein Machtwort, wenn die Streitigkeiten überkochen, Fehlverhalten nicht mehr geduldet werden kann.

Das Machtwort, das uns dieses Jahr begleitet, klingt so ganz anders als die, die ich selbst schon gesprochen oder für mich gehört habe:

„Alles, was ihr tut, geschehe in Liebe“ (1. Kor 16,14)

In diesen Worten schwingt kein hörbarer Zorn, kein „so kannst du aber nicht mit mir umgehen“ und kein Frust mit. Sie sind weich und zart. Legen sich wie eine warme Hand auf unsere Schulter und setzen uns eine rosarote Brille auf die Nase. Und doch ist dieser Satz ein Machtwort.

Ein sehr altes, von Paulus gesprochenes Machtwort. Er spricht es gegenüber seiner Gemeinde in Korinth vor etwa 2000 Jahren. Dort, wo das reinste Chaos herrscht, Umbrüche und Aufbrüche alle bewegen. Menschen nicht mehr wissen, wie sie miteinander umgehen sollen.

Wer zu ihnen gehört und wer nicht. Menschen, die andere ausgrenzen, in Schubladen stecken, verurteilen, weil sie anders sind, sollen es hören. Menschen, die aus verschiedenen Kulturen und sozialen Schichten aufeinander treffen, jene, die sich bei all dem Durcheinander neu finden müssen – als Gemeinde, Stadt, Nachbarn, Freunde und Fremde, hören diese Worte.

Es sind Machtworte. Und Liebesworte, Orientierungsworte. In Zeiten, die gar nicht mal so rosarot sind. In denen Machtworte eigentlich ganz anderer Natur sind, Streitigkeiten und schwere Päckchen das Innerste belasten, Augen verschließen und Ohren nur ganz dumpf hören lassen.

„Alles, was ihr tut, geschehe in Liebe“ (1. Kor 16,14)

Ein Machtwort der ganz anderen Art für unser Jahr, fernab von Korinth. Mit ähnlichen Fragen im Herzen: „Was wird werden? Wie gehen wir miteinander um? Nicht nur in unserem Kreis, sondern mit denen, die neu dazukommen? Mit denen, die sich anders verhalten, als wir es für gut empfinden? Denen, die Entscheidungen treffen, die mich selbst belasten? Oder solchen, die Hilfe brauchen, aber die wir schwierig finden? Denen, die weit weg sind?“

„Alles, was ihr tut, geschehe in Liebe“ (1. Kor 16,14)

Was hier wie eine liebliche Botschaft leise in ein Ohr gehaucht wirken könnte, sind eigentlich Worte, die klare Kante zeigen. Worte, die mit einem hell leuchtenden Licht, graden Schultern und erhobenem Kopf den Schwierigkeiten der Welt entgegentreten, ihnen ein Stück weit in den Hintern treten (Verzeihung). Sie sagen:

„Alles, was ihr tut, geschehe in Liebe“ – in Gottes Liebe

Dieser Liebe, die allen Menschen geschenkt ist. Die so vieles verändert hat und verändern wird. Die den Blick auf andere ändern kann – manchmal nur für einen Moment. Ein Machtwort, das zärtlich klingt und die rosarote Brille aufsetzt. Sie über deine Grundeinstellung stülpt und sich in dein Handeln einbrennt. Es zeichnet eine Welt voller Gottes Liebe. Untereinander, in unserem Blick auf die Welt. Tief verankert statt lose darübergelegt. Eine Harmonie unter all denen, die sich sonst schwer damit tun einander Gutes zu wünschen, einen fairen Umgang zu hegen, ohne insgeheim die Schublade der Vorurteile und Verurteilungen zu öffnen. Eine rosarote Brille, die Wohlwollen und Zugewandtheit über unser Handeln und Denken legt. Zuerst vom Besten statt vom Schlimmsten auszugehen, die gute Absicht hinter dem gescheiterten Ergebnis wertzuschätzen, statt den Frust die Oberhand gewinnen zu lassen. Gottes Liebe in tatsächlich allem, was geschieht nicht zu übersehen, als eigene Grundeinstellung zu leben – ein klares Machtwort für schwierige Zeiten.

Nachsatz

Diese Andacht wurde geschrieben, bevor der Correctiv-Bericht über Geheimtreffen von Rechtsextremen und AFD-Politikern erschienen ist und geht daher nicht explizit darauf ein.

Die Jahreslosung „Alles, was ihr tut, geschehe in Liebe“ wendet sich gegen jegliche Art von Ausgrenzung und Diskriminierung. Sie spricht von Gottes unendlicher Liebe, die allen Menschen gilt.

Diese Liebe spornt uns an, unsere eigene Toleranz und Haltung anderen gegenüber immer wieder zu überprüfen und zu schärfen. Ein Leben in dieser Liebe ist mit Rassismus, Antisemitismus und jeglicher Art der Diskriminierung nicht vereinbar.

Liebe Gemeinde,

ich wünsche Ihnen sehr, dass Sie in diesem Jahr immer wieder Momente haben, in denen Sie Gottes Liebe ganz aktiv spüren können. Und auch solche Momente, in denen Sie innehalten und sich einmal kurz die rosarote Brille aufsetzen, nicht verleugnen, was schwer ist und was fehlt, aber bei all dem Gottes Liebe hochzuhalten und zu suchen. Manchmal kann das den Blick schärfen, die Einstellung ändern. Mit diesem Wunsch und meiner letzten Andacht in unserem Gemeindebrief möchte ich mich auf diesem Wege ganz herzlich für meine Zeit in dieser Gemeinde bedanken. Leider wird mein Vikariat und meine Zeit in Velbert im März zu Ende gehen.

Ich konnte im Vikariat viel ausprobieren, lernen und für mich entdecken. Ich bin froh und dankbar viele von Ihnen kennengelernt und auch ein Stück begleitet zu haben. Im Moment wird einigen von Ihnen vielleicht schon aufgefallen sein, dass ich weniger in der Gemeinde aktiv bin, da ich mich meinen Abschlussprüfungen widme. Diese werden mich bis März begleiten.

Ich freue mich sehr darauf, danach bei einem Verabschiedungsgottesdienst (Sonntag, 17.03.24, 11.00Uhr in der Christuskirche; die Webredaktion) noch einmal die Chance zu haben, Sie persönlich zu sehen, gemeinsam Gottesdienst zu feiern und mich persönlich für meine zwei Jahre in dieser Gemeinde zu bedanken! Bis dahin wünsche ich Ihnen alles Gute und Gottes Segen an Ihrer Seite!

Ihre Vikarin
Natalie Gabisch