Eine Strophe aus dem Gedicht: „Ebereschen“ von Gottfried Benn, einem Lyriker, den ich sehr mag:
„Ebereschen – dies Jahr und Jahre immerzu
in fahlen Tönen erst und dann in roten
gefärbt, gefüllt, gereift, zu Gott geboten −
wo aber fülltest, färbtest, reiftest du − ?“
Liebe Gemeinde,
kennen Sie das Leuchten von Ebereschen (es sind ja vor allem ihre Beeren, die so herrliche Farben zeigen) im Herbst des Daseins? Farbe – tief – warm – voller Leben und voller Ernte. Es ist etwas gereift – reif geworden – und das hat Zeit und Ruhe gebraucht. Auch die Stürme des Lebens, die durch den Baum hindurch gegangen sind, sind Teil dieses Reif-Werdens.
Gottfried Benn stellt uns Menschen nun mitten hinein in dieses Geheimnis: „Wo kann sich Dein Leben „färben“, dass es aus großen Händen Profil und Farbe gewinnen kann? Wer oder was kann und darf Dich „füllen“, dass Du einen Grund in Dir selber ahnst, der Dich tragen kann in der Zeit – und auch hinein in die Ewigkeit? Und wie kannst Du „reifen“ – Du Mensch, der Du ahnst, dass unser Leben am Ende ein Abenteuer ist – aus der Ewigkeit – hin zur Ewigkeit. Ahnst Du, dass auch Du „zu Gott geboten“ bist?
Solches „Färben, Füllen und Reifen“ muss seine Zeit haben dürfen. So wird Gottfried Benns Gedicht für mich eine Einladung, mich auch in diesem Jahr in Ruhe auf das Geheimnis der Advents- und Weihnachtszeit einzulassen: „Habe ich Mut, Kraft und Raum in meinem Herzen, um mich auf dieses Kind in der Krippe einzulassen, das mein Leben „lebendig färben“ will? Kann ich mich von seinem Geheimnis „füllen“ lassen, dass es zum Grund werden kann, der mein Leben trägt? Und will ich in seiner Gegenwart so „reifen“, dass dann eben auch mein Leben „zu Gott geboten“ sein mag?
Einen Advent des ruhigen Färbens, Füllens und Reifens
wünscht Ihnen Ihr Pfarrer Martin Schmerkotte