Mit der Orgel heraus aus dem Alltag

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Gute Orgelmusik gehört in die Kirche

Manche Menschen finden Orgelmusik heutzutage „uncool“. Kaum jemand hört sie im Alltag.

Ich höre sie gerne, gerade weil sie nicht alltäglich ist. Alltag habe ich die ganze Woche. Am Sonntag soll mich die „uncoole“ Musik im Gottesdienst aus meinem Alltag herausholen. E-Gitarre und Schlagzeug schaffen das gerade nicht. Ist vielleicht auch eine Geschmacksfrage.

Die evangelische Kirchenmusik ist bekannt für ihre Vielfalt. Vielerorts haben Keyboards einen festen Stellplatz neben der Kanzel. Posaunenchöre haben in der Kirche ebenso ihr Zuhause wie Gospelchöre, Kantoreien, Kirchenchöre und Solisten. Von Bach bis Beat, von Händel bis Hip-Hop. Das Gotteslob ertönt in vielen Klangfarben.

Die Orgel der Ev. Kirche auf Tönisheide

Und doch gebührt der Orgel zu Recht ein Ehrenplatz in der Kirche. Und das, obwohl sie verhältnismäßig jung ist. Über mehr als tausend Jahre hinweg feierten die Christen ohne Instrumente ihre Gottesdienste. Sie sangen. In den ersten Jahrhunderten wurde die Gemeinde sogar einfach als „Chor“ bezeichnet.

Im Mittelalter wurde der Gesang klerikalisiert: Im Gottesdienst sang die Gemeinde fast gar nicht mehr, dafür jedoch die Priester oder die Mönche. Immer mehr übernahmen Orgeln die Gesangbegleitung. Die Reformation führte den Gemeindegesang wieder ein. Johannes Calvin begründete dies so: „Gott spricht zu den Menschen durch sein Wort im Gottesdienst, die Menschen antworten darauf mit Gebet und Lobgesang.“ Und die Orgel? – Sie soll zum Singen inspirieren, anleiten.

Ich singe gerne. Morgens unter der Dusche für mich alleine und sonntags in der Kirche. Denn ich brauche die Gemeinschaft. Mit anderen zusammen zu singen, macht Spaß und macht das Herz frei. Die Vielfalt der musikalischen Stile ist eine Herausforderung für die Kirche. Musik ist so bunt, wie die Menschen bunt geworden sind. Und das ist gut so.

Und doch möchte ich auf eine gute Orgel nicht verzichten müssen. Vielleicht gerade wegen ihrer Weltfremdheit. So bleibt Alltag Alltag, und der Sonntag wird zum Vorgeschmack auf die „himmlischen Chöre“, in denen Gott einfach nur noch gelobt werden wird.

 

Pfr. Dr. Dieter Jeschke