gemeindearchiv
der Ev. Kirchengemeinde
Velbert
Eigentlich beginnt diese Geschichte vom Grundbesitz bereits im letzten Viertel des 15. Jahrhunderts, weit vor der Reformation in unserem Land. Bis dahin waren die Bewohner des Kirchspiels, bestehend aus Dorf und Honschaft Velbrecht sowie den Honschaften Krehwinkell, Hetterschit und Leubeck, treue Anhänger des Klosters in Werden und der ihrer Ida-Kapelle übergeordneten Mutterkirche St. Clemens am Born in Werden.
Die Ida-Kapelle mit dem sie umgebenden Grundstück war (seit etwa 1050) der einzige Besitz der damals noch katholischen Kirche im Dorf Velbert. Zwar wurden in dieser Kapelle an Samstagen und an Tagen vor christlichen Festen von Vikaren der Borner Kirche Gottesdienst gehalten, für alle pfarramtlichen Handlungen, wie Taufen, Heiraten, letzte Ölungen, mussten sich die Velberter zur Pfarrkirche nach Werden begeben.
Hierhin hatten sie außer den Abgaben für ihre Ida-Kapelle auch Altaropfer und Messhafer für den Pastor zu Born zu liefern. Die einzelnen Honschaften mussten dem Glöckner der Werdener Kirche jährlich zwei Denare zahlen, auch bei Reparaturen der Pfarrkirche und ihres Mobiliars mussten die Velberter beisteuern. Wegen dieser persönlichen und finanziellen Belastungen rebellierten die Velberter immer häufiger gegen Pfarrkirche und Abtei in Werden.
Trotz aller Bemühungen dauerte es bis 1518, bevor die Velberter Bauern dem Werdener Abt wenigstens einen eigenen Vikar abgerungen hatten, der auch in Velbert wohnen durfte. In einem Vertrag zwischen der Abtei Werden, der Pfarre St. Clemens und dem Gericht in Angermund als Vertreter der Velberter wurde das festgeschrieben [Dokument 1]. Die Velberter verpflichteten sich darin, dem Vikar Haus und Garten sowie Ackerland für seinen Lebensunterhalt zur Verfügung zu stellen. Über Größe und Lage ist in diesem Dokument allerdings nichts ausgesagt.
Von ihrem (weltlichen) Landesherrn in Kleve erhielten die Velberter 1529 unter anderem die Genehmigung, auf dem Grundstück der Ida-Kapelle einen Kirchhof anlegen zu dürfen [Dokument 2626]. Die Größe dieses Grundstücks wird - allerdings erst im 19. Jahrhundert - mit etwa 1.100 m2 angegeben.
Im Jahr 1551 baute die damals aus weniger als 50 Familien bestehende Gemeinde ihrem Küster Johannes Neufiant, ebenfalls aus Werden, ein Haus und stellt auch ihm Ackerland zur Bewirtschaftung zur Verfügung [Dokument 8]. Auch in diesem Falle sind nähere Einzelheiten nicht dokumentiert.
Um 1560 geht in einem ganz kurzen Zeitraum die bis dahin katholische Velberter Gemeinde samt Vikar und Küster geschlossen zum lutherischen Glauben über. Damit werden auch die Ida-Kapelle samt Kirchhof, Pfarrei und Küsterei mit dem zugehörigen Ackerland Besitztum der neuen lutherischen Gemeinde.
Schon 1618 gibt es erhebliche Glaubensunterschiede in dieser Gemeinde, so dass sich 1620 ein (kleinerer) Teil der Velberter offiziell der Calvin’schen Glaubensrichtung anschließt. Diese neue „Reformierte Gemeinde“ wird in Velbert 1625 vom Landesherrn verboten, aber um 1660 wieder zugelassen. Seitdem waren die Reformierten bemüht, am Besitz der Lutheraner von Kirche, Pastorat und Küsterei teilzuhaben. Die Verhandlungen und Prozesse zogen sich bis zum Jahre 1697 hin. Dann fällte das Gericht in Angermund sein Urteil zur „Halbscheid“ [Dokumente 124; 2108] des ursprünglich katholischen Besitzes. Alle Liegenschaften und Besitztümer wurden je zur Hälfte zwischen den beiden evangelischen Gemeinden aufgeteilt.
Bis zur endgültigen Durchsetzung dieses Urteils vergingen weitere fünf Jahre. Weder zum Gerichtsurteil noch zu dessen Durchsetzung gibt es Unterlagen, die über Größe und Lage der strittigen Liegenschaften Auskunft geben.
Erst als die Lutheraner 1786 zu bemerken glaubten, dass die „Halbierung“ der Grundstücke nicht korrekt war, gaben sie eine Nachmessung in Auftrag [Dokumente 1658, 1660]. Der „Jülisch Bergische Feldmesser J. W. Lücker“ fertigte dazu erstmalig Karten, die Aufschluss geben über die Größe und indirekt auch über die Lage von Küsterei- [Dokument Z 10] und Pfarrgründen [Dokument Z 11].
Nach diesen Unterlagen betrug die Fläche des Küstereigrundes 4 Morgen und 24 Ruthen, das sind etwa 10.600 m2; Gebäude und Garten des Wiedenhofs (Pastorat) 3 Vorling, 28 Ruthen, etwa 2.350 m2; die dem Pastorat zugehörigen Ackerflächen 17 Morgen, 3 Vorling, 32 Ruthen, etwa 46.000 m2.
Die genaue Lagebestimmung dieser Flächen im heutigen Velbert wird weiter unten erläutert. Hier sind zunächst die beiden Lagepläne (um zeitgemäße Maßeinheiten erweitert) wiedergegeben.
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DOKUMENT Z 10: Lage und Inhalt der Köstereien Gründe |
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DOKUMENT Z 11: Wiedenhofer Häuser, Gärten und Gründe |
Die Lage dieser Grundstücke im heutigen Stadtbild lässt sich auf Umwegen recht sicher bestimmen. Zunächst tragen die Zeichnungen Z 10 und Z 11 beide an der südwestlichen Begrenzung der Liegenschaften den Vermerk „Land Straß“. Das bedeutet, dass beide an die einzige im Dorf Velbert vorhandene „Landstraße“, die spätere Essen-Solinger-Chaussee und noch spätere Friedrichstraße angrenzten.
In der Zeichnung Z 11 gibt es (fast nicht erkennbar) an der nordwestlichen Grenze einen Eintrag „reformirtes Köstereien Landt“. Das bedeutet, dass beide Ländereien, die Küstereigründe aus Dokument Z 10 und die Pfarrgründe aus Dokument Z 11, nur getrennt durch einen schmalen Streifen „Offer Landt“,an der „Landstraße“ praktisch nebeneinander lagen.
An dieser Stelle kommt die „Velberter Urkarte“ ins Spiel, die 1816 nach der Übernahme des ehemaligen Herzogtums Berg-Mark-Jülich-Kleve-Ravensberg durch Preußen von einem preußischen Offizier und Landmesser erstellt wurde.
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Es ist ganz erstaunlich zu sehen, wie genau die Landvermessungen aus 1786 in die Flurstücke, die 1816, genau 30 Jahre später, aufgenommen wurden, hinein passen, wenn man Maßstäbe und Himmelrichtungen berücksichtigt.
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Lediglich zwei größere Abweichungen fallen auf. Da ist zunächst die Tatsache, dass die Ackerflächen des Pastorats - entgegen der Angabe in der Zeichnung Z 11 von 1786 - nicht (mehr) mit ihrem Süd-West-Rand an der Landstraße liegen. Aber inzwischen haben die napoleonischen Straßenbauer ja die Essen-Solinger-Chaussee errichtet, und sind dabei wohl außerhalb des Dorfes - von der heutigen Kurze Straße an - nicht mehr der alten Landstraße gefolgt, sondern haben einen direkteren Weg nach Süden genommen.
Zum anderen zeigt sich an der Südost-Flanke des den Lutheranern gehörenden Ackers Nr.1 ein erheblicher Unterschied. Lücker hat 1786 die Fläche Nr. 1 mit 4 Morgen, 3 Vorling, 31 Ruthen (ca. 12.700 m2) ausgemessen. In einem Pachtvertrag über den gleichen Acker [Dokument 2629] wird 1861 aber eine Größe von 6 Morgen 51 Ruthen (ca. 16.200 m2) angegeben. Die Differenz von 3.500 m2 entspricht der 1816 in der Velberter Urkarte eingezeichneten Vergrößerung der Liegenschaft.
Irgendwann zwischen 1786 und 1816 muss diese Veränderung stattgefunden haben, vermutlich zwischen der Familie Schnegelsiepen auf dem Hof Röttgen und der Lutherischen Gemeinde [Hinweis in Dokument 709].
Im Jahr 1680, noch vor dem Gerichtsentscheid zur Halbscheid, erhielt die junge reformierte Gemeinde von der Familie Gaddum ein Grundstück in der Nähe der Kirche als Geschenk, auf dem - gegen den Willen der Lutheraner mit finanzieller Unterstützung der reformierten Nevigeser Gemeinde - ein Pastorat mit Versammlungsraum erbaut wurde [Dokumente 1056 u. 2088]. Natürlich sind auch an dieser Stelle weder Lage noch Größe des Grundstücks definiert. Erst im Lagerbuch der Gemeinde von 1824 [Dokument 5631] werden die Größe des Grundstücks mit etwa 1.350 m2 und die Lagenbezeichnung mit 550 und 551 angegeben, die man beide in der Urkarte von 1816 wiederfindet.
Am 19.Mai 1732 vermachten Johan vom Rolland in der Hörnen, seine schwer erkrankte Frau Ida und deren Schwester Gertraud in der Hörnen das Gut testamentarisch der lutherischen Gemeinde. Die Größe des Hofes betrug zu dieser Zeit etwa 50 Morgen. Die Liegenschaften teilten sich in zwei große Bereiche auf. Der größere Anteil lag in unmittelbarer Nähe des Hofhauses in Ostum und umfasste einen Teil des heutigen Neuen Friedhofs, den Bereich der Röttgenstraße und den nordwestlichen Teil des Nordparks. Der kleinere Teil lag am Ostrand des Dorfes Velbert ungefähr zwischen Bahnhof-, Kölver-, Kurze und Königstraße. Nur 4 Tage nach der Abfassung dieses Testamentes starb Ida im Alter von 70 Jahren.
Johan bewirtschaftete das Gut nun in Diensten und im Auftrage der Lutherischen Gemeinde. Knappe 9 Monate nach Idas Tod heiratete er ein zweites Mal und zeugte 4 Kinder:
Im Jahre 1744 starb Mutter Catharina, dann weitere 4 Jahre später Vater Johan. Er hinterließ vier unmündige Kinder im Alter von 14, 11, 8 und 4 Jahren. Die vier Kinder waren nun nicht nur eltern- sondern auch heimatlos. Das missfiel auch der Lutherischen Gemeinde. Sie verkaufte zu einem „Freundschaftspreis“ das Haus des Gutes an die Vormünder [Dokument 800], die es umgehend an die Kinder weiter verschenkten.
Darüber hinaus versuchte die Gemeinde in zwei Anläufen beim Gericht in Angermund, Grund und Boden ebenfalls an die Kinder des verstorbenen Johan zurück zu geben [Dokumente 751, 755]. Beide Versuche scheiterten allerdings. Erst eine Petition an den Fürsten brachte einen Teilerfolg. Der entschied 1752 salomonisch, dass Grund und Boden um das Hofgebäude herum an die Kinder zurückfallen solle, der entferntere Teil aber bei der Gemeinde verbleiben müsse [Dokument 783].
Dieser neue Besitz schließt nahtlos an die „Köstereigründe“ an. Die Grenzen sind nirgend exakt definiert, und lassen sich (bisher) nur aus verkauften Grundstücken rekonstruieren. Lediglich die Abgrenzung zur „Landstraße“ bleibt vage.
Der Grundbesitz der beiden ev. Gemeinden erreichte gegen Ende des 18. Jahrhunderts seine größte Ausdehnung und lag, wie aus der folgenden Karte ersichtlich ist, zum kleinen Teil im damaligen Dorf, überwiegend aber im Osten und Südosten des Dorfes und betrug insgesamt etwa 80.000 m2 oder 8 ha. Die Größe dieses Grundbesitzes wird deutlich, wenn man das heutige Straßennetz der Innenstadt in diese Zeichnung einfügt.
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Im 19. und 20. Jahrhundert wurde weit mehr als die Hälfte dieses Grundeigentums verkauft bzw. eingetauscht. Das ist eigentlich eine andere Geschichte, die hier nur im Groben angerissen ist.
In den Jahren von 1860 bis 1910 wandelte sich Velbert vom landwirtschaftlich geprägten Dorf zur Industriestadt. Die Bevölkerung wuchs von 8.000 auf 23.000. Neue Straßen durchzogen das Stadtgebiet. Dass Velbert von 1910 jedoch noch nicht mit Velbert von heute zu vergleichen ist, zeigt dieser Blick vom Wasserturm Südstraße nach Norden.
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An den neuen Straßen verkaufte auch die Kirchengemeinde Wohn- und Geschäftsgrundstücke aus ihrem Grundbesitz. An die Stadtgemeinde Velbert wurde die Schule (am Denkmal) mit zugehörigen Grundstücken zwischen Ost- und Friedrich-Straße verkauft.
In der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts wurde zunächst der Bereich zwischen Grün- und Kurze Straße, östlich der Christuskirche, an die Stadtgemeinde Velbert abgegeben im Tausch gegen zwei Grundstücke außerhalb der Stadtmitte, nämlich die heutigen Gemeindezentren der Johanneskirche und der Markuskirche.
Um 1970 wurde dann das Grundstück der ehemaligen reformierten Gemeinde (auf der heutigen Corbygasse) an die Stadt Velbert verkauft, nachdem dort für längere Zeit Kindergarten und Gemeindeamt untergebracht waren.
Erst im letzten Jahr wurde der Grundbesitz zwischen Ost-, Kurze und Kölver Straße mit aufstehendem Gemeindehaus und Doppelpastorat verkauft, um den Bau des Neuen Gemeindehauses zu finanzieren.
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August 2013 / Gerd Lensing
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